
Unsichtbare Beeinträchtigungen sichtbar machen: Warum das Sunflower Lanyard in Zürich fehlt
Viele Menschen mit Autismus erleben den Flughafen Zürich als überfordernd. Eine einfache Lösung wie das Sunflower Lanyard wird international eingesetzt – in Zürich fehlt sie noch.

Ciril Bullinger
6 Min. Lesezeit
Stress im öffentlichen Raum – ein unterschätztes Problem
Der Flughafen ist für viele ein Ort der Vorfreude oder Geschäftigkeit. Für Menschen mit Autismus oder anderen unsichtbaren Beeinträchtigungen kann er jedoch zur Belastungsprobe werden. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS) erleben sensorische Reize, Menschenmengen und unvorhersehbare Abläufe als extrem belastend. Dabei gibt es einfache Mittel, um die Reiseerfahrung barriereärmer zu gestalten – wie das sogenannte Sunflower Lanyard.
Was ist das Sunflower Lanyard?
Das Sunflower Lanyard ist ein grünes Schlüsselband mit Sonnenblumen-Motiv. Es signalisiert diskret, dass die tragende Person eine unsichtbare Beeinträchtigung hat – etwa Autismus, ADHS, Angststörungen oder chronische Erkrankungen. Die Idee stammt aus Grossbritannien und wird mittlerweile an über 240 Flughäfen weltweit eingesetzt. Das Ziel: mehr Rücksicht, klare Sprache und angepasste Unterstützung, ohne Stigmatisierung.
Der Fall Noah Reid: Wenn Unterstützung zur Hürde wird
Ein eindrücklicher Fall betrifft den 19-jährigen Kanadier Noah Reid. Der junge Mann mit Autismus wollte von Zürich nach Hause fliegen – die Reise wurde zur Tortur. Statt Empathie und Struktur erlebte er Unsicherheit und Demütigung. Erst nach Intervention seiner Mutter durfte er überhaupt zum Gate begleitet werden – allerdings nur im Rollstuhl, obwohl er körperlich völlig mobil ist. Das eigentliche Problem: Der Flughafen Zürich erkennt das Sunflower Lanyard bislang nicht an [Quelle].
Ein Blick in die Forschung: Warum visuelle Hilfen helfen
Studien im Bereich der Neurodivergenz zeigen, dass visuelle Marker wie das Sunflower Lanyard helfen, Stress und Überforderung zu reduzieren. Der klare visuelle Hinweis aktiviert empathisches Verhalten beim Umfeld und vereinfacht die Kommunikation mit dem Personal. Das Bedürfnis nach sensorischer Kontrolle und Vorhersehbarkeit wird so unterstützt – ein zentrales Anliegen bei Autismus-Spektrum-Störungen.
SBB als Vorbild: Testphase für mehr Barrierefreiheit
Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) haben die Problematik erkannt und führen das Sunflower Lanyard derzeit an mehreren Bahnhöfen testweise ein – darunter Zürich HB, Lausanne und Winterthur [Quelle]. Ziel ist es, das Personal zu sensibilisieren und Trägerinnen und Trägern mehr Zeit und Unterstützung zu geben – zum Beispiel bei der Billettkontrolle oder beim Umsteigen.
Warum Zürich handeln sollte
In der Schweiz leben laut Schätzungen 100’000 bis 250’000 Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Unsichtbare Einschränkungen sind keine Randerscheinung – sie betreffen laut SBB über 80 % aller Menschen mit Beeinträchtigungen. Das Fehlen des Sunflower Lanyard am Flughafen Zürich zeigt: Inklusion ist oft eine Frage des Wollens, nicht des Könnens.
Was Sie als Mutter wissen sollten
Ob auf Reisen, bei der Schulwahl oder im Alltag – Eltern von neurodivergenten Kindern sind häufig gefordert, gute Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Wissen um Hilfsmittel wie das Sunflower Lanyard kann ein wertvolles Werkzeug sein. Es stärkt nicht nur Ihr Kind, sondern sensibilisiert auch Ihr Umfeld. Ein Lanyard ist online erhältlich – und kann bei Bedarf sogar privat genutzt werden, etwa in grösseren Einkaufszentren oder bei Veranstaltungen.
Fazit
Menschen mit Autismus – Kinder wie Erwachsene – brauchen nicht nur medizinische Diagnosen, sondern gesellschaftliche Anerkennung und praktische Unterstützung. Das Sunflower Lanyard ist ein kleiner Schritt mit grosser Wirkung. Es ist Zeit, dass auch Zürich diesen Schritt geht – für mehr Empathie, Inklusion und Respekt im Alltag.
Hinweis: Unser Team unterstützt auch Kinder mit Autismus bei der Schulvorbereitung und in individuellen Lernprogrammen.